| BSP | I. Der Eiskeller | Bedeutung
| Die Gemarkung „Affenstein“ | Fundsituation | II.
Heinrich Hoffmann | Die
Irrenanstalt |
I. |
Der Eiskeller |
Das hier
vorhandene Bauwerk ist der Rest ehemaligen Eiskellers der
städtischen „Anstalt für Irre und
Epileptische“, gebaut in den Jahren 1859 bis 1864 auf Initiative von Heinrich Hoffmann. Als weiterere Hinweise auf diesen
Zeitabschnitt befinden sich auf dem Campus noch die Gedenktafel für Alois Alzheimer (ein Mitarbeiter Hoffmanns), die Skulptur "Haus der Winde" von Bruno Feger und die sehr interessanten Info-Tafeln im IG-Hochhaus 5. OG Q4 und die
Publikation: "Von der Grüneburg zum Campus Westend : die Geschichte des IG Farben Hauses ; Begleitbuch zur Dauerausstellung".
Neben der Tradition des späteren IG-Farben-Komplexes öffnet sich mit diesem Bau auch die Geschichte des Psychiatrie-Reformers, Kinderbuchautors, Politikers und engagierten „Netzwerkers“, der vor allem durch seinen „Struwwelpeter“ bekannt geblieben ist. Die für die damalige Zeit äußerst moderne psychiatrische Klinik wurde wegen ihres „altdeutschen“ Baustils schlicht „das Irrenschloss“ genannt.
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Situationsplan von
O. Pichler (Pfeil zeigt den Eiskeller
an) (1863) 2 Querschnitt durch
das Eiskellerrund (Maßermittlung, Nov. 2008) 3 Grundriss und
Schnitt des Frankfurter Eiskellers; Rekonstruktionsskizze
Hoffmann setzte für die
damalige Zeit ein revolutionäres
Psychiatrie-Konzept um: die Kranken wurden nicht mehr – wie
durchaus noch üblich –
Anwendung eines Sturzbades 5
6 Zusammen mit
dem Architekten Oskar Pichler
unternahm Heinrich Hoffmann ausgedehnte „Belehrungsreisen“
durch mehrere Länder, um die neuesten
Erkenntnisse in der Psychiatrie und im Krankenhausbau kennen zu lernen und in Frankfurt anzuwenden.
Hier informiert er sich auch über die Bauformen von
Eiskellern. Innenansicht des
zylindrischen Baukörpers nach Herausnahme der Verfüllung. Quelle: Hessisches
Baumanagement 2008 7 Der Name „Affenstein“ bezieht sich auf ein gut
1 km2 großes Areal
damals „draußen am Rande der Stadt“ auf dem Gelände des damals noch nahezu
unbebauten Westends. Der Begriff ist seit dem 13. Jh. urkundlich belegt;
kurzzeitig nennt sich eine Familie „von Affenstein“. Gemutmaßt wurde auch,
dass sich „Affenstein“ von „Ave-Maria-Stein“, also einer Art Bildstock
herleiten ließe. Inwieweit der Begriff auf eine Baustruktur zurückgeht, ist
unklar. In Frage käme jedoch auch ein Steinbruch (Steinkaute), den es im „Affensteiner Feld“ gegeben hat. Ausschnitt aus dem Faber’schen Belagerungsplan“ (1552) 8 Ausschnitt aus Bodenehr: "Franckfurt, mit der Gegend auf 2 Stund " (ca. 1720) 9
Inventar aus dem
Eiskeller 2008: 10 Hinterlassenschaft
medizinisches Gerät 11 Hinterlassenschaft
Anstaltsgeschirr 12 Fundsituation 2008:
Der Eiskeller
befand sich unter einem Erdhügel (s.o.), nur der Eingangsbereich war sichtbar
und das Deckenrund war schon etwas eingebrochen. Bei Aufgabe der „Anstalt für
Irre und Epileptische“ 1928 wurde er mit altem Geschirr der Anstalt,
unbrauchbarem medizinischen Gerät, gebrauchten Dingen der „Insassen“ z. B.
einer großen Ansammlung von Zahnbürsten und anderen Hinterlassenschaften
verfüllt. Obenauf ein alter Feuerlöscher der US-Army. Das Geschirr
sowie die gefunden Holzreste konnten eindeutig datiert werden: das Holz dendrochronologisch in die Bauzeit der Anstalt, das
Geschirr anhand der Herstellermarken in das beginnende 20. Jahrhundert. Abschluss oben mit einer doppelten Kuppel zur
Isolierung Textzusammenstellung;
Abbildungen aus: Hans-Markus von Kaenel, Thomas Maurer, Albrecht Schlierer: „Wie das Gedachte das Gebaute verändert….“ Frankfurter Archäologische Schriften 21. 2012, S. S. 167 -209. Andrea Hampel: „Ein
mittelalterlicher Wachturm und seine wechselvolle Geschichte…“, Fundberichte
aus Hessen 50. 2010, S. 729-760 übrige aus Commons
Wikimedia |
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„An Dr. Hoffmann / Anführer des Narrenhauses“ * |
Heinrich Hoffmann hatte keinen ganz leichten Start: er war ein Siebenmonatskind als er am 13. Juni 1809 das Licht der Welt erblickte. Er war so kränklich und schwach, dass der Großvater glaubte, er werde das erste Jahr wohl nicht überleben. Er wächst wohl behütet mit wenig Kontakt zu
anderen Kindern zeitweise mit Privatlehrern auf. War in der Schule nie gut – ein Faulpelz –
bleibt zweimal sitzen… Aber er macht sein Abitur. Der Vater gibt den Weg vor,
der Plan des Vaters wird zum Wunsch des Sohnes umgemünzt – er wird Arzt. In dem halben Jahr bis zum Studienbeginn im
Frühjahr 1829 hört Hoffmann anatomische Vorlesungen am medizinischen Institut
der Dr. Senckenbergischen Stiftung. Und um zu
erproben, ob seine Wahl die Richtige ist, präpariert er dort an Leichen. Und
stellt sich dabei nach eigenem Bekunden recht geschickt an. Im Frühjahr
schließlich reist er zum Studium in die Universitätsstadt Heidelberg. Mehr
als zwei Jahre führt Hoffmann ein vergnügliches Leben, besinnt sich dann aber
eines Besseren. Er wird fleißig, lernt, studiert endlich Medizin. Um sein
Studium zu beenden, wechselt er schließlich an die Universität Halle. Als er in Halle eintraf, 1832, war gerade die
asiatische Cholera ausgebrochen. … Da starb man, Leute lagen auf der Straße,
die mussten aus den Wohnungen geholt werden, da fängt seine Identifikation
an. Die Studenten gehen zu den Kranken nach Hause, jeder Student ist für
einen Sektor der Stadt verantwortlich, muss sich dort um seine Kranken
kümmern. Hier erlebt Hoffmann eine moderne Medizin, die
deutlich den Stempel des Liberalismus trägt. *Als Hoffmann zum achtzigsten Geburtstag
Glückwünsche aus aller Welt erreichten, war auch ein Brief aus Schottland
dabei: „An Dr. Hoffmann / Anführer des Narrenhauses“ stand auf dem Umschlag.
Die Absenderin hatte den Titel „Head of an Asylum“ offenbar der Zeitung entnommen und mit
Hilfe eines Wörterbuchs etwas ungelenk übersetzt. 14 Heinrich Hoffmann 1852 in seinem Arbeitszimmer in
der Frankfurter Hochstraße 45. Ein Kinder-Skelett und die Fülle an Büchern und Papieren
(einschließlich eines vollen Papierkorbs!) weisen auf Hoffmanns Tätigkeit als Anatom und Pathologe hin.
Der Pegasus, das geflügelte Pferd der griechischen Mythologie, begleitet als ein Symbol
der dichterischen Inspiration Hoffmann bei seinen Fahrten auf dem »Meer der poetischen Produktion«. Krankheit und Tod seines Vaters rufen Heinrich
Hoffmann im Herbst 1834 vorzeitig nach Frankfurt zurück – aus Paris, wo er
sich weiterbilden wollte. In Frankfurt hatten seine ärztlichen Freunde gerade
eine Armenklinik gegründet – und ihm eine Stelle offen gehalten. Die tritt er
nun an, hält mit sechs anderen Jungmedizinern abwechselnd Sprechstunde in der
Klinik, besucht Kranke in den am Stadtrand gelegenen Dörfern. So sammelt er
Erfahrungen als Arzt. Verdienen lässt sich damit nichts. Erst 1851, mit 42 Jahren, ist Heinrich
Hoffmann endlich am Ziel. Er wird Leiter der „Anstalt für Irre und Epileptische“,
dazu handelt er ein großzügiges Salär von 600 Gulden aus. Von außen kennt er
die Anstalt wohl, liegt sie doch direkt neben der Armenklinik. Doch in den 17
Jahren, in denen er in Frankfurt nun schon tätig ist, hat er nie zuvor einen
Fuß dort hinein gesetzt. Er ist also gerade Chef einer Klinik geworden,
ohne jemals in diesem Fach tätig gewesen zu sein… Und dann kam der erste
Kontakt mit diesem Irrenhaus und Haus für Epileptiker, und die ersten Eindrücke
waren katastrophal. Er traf auf Zustände, die eigentlich schon in anderen
Ländern Europas dabei waren, sich zum Positiven zu verändern. Hoffmann ist entsetzt. Schon nach kurzer Zeit
ist ihm klar, Abhilfe lässt sich nur mit einer neuen Anstalt schaffen. Wie
aber soll die aussehen? Hier lässt er sich von den Erfahrungen anderer inspirieren. Er unternimmt mehrere „Belehrungsreisen“,
schaut sich „Irrenanstalten“ an - was machen die, was kann ich besser machen
in Frankfurt? In den folgenden Jahren werden Maximilian
Jacobi und Albert Zellen seine Mentoren, ebenso Christian Friedrich Wilhelm
Roller, dessen Irrenanstalt Illenau bei Achern zum
Vorbild für Hoffmanns Frankfurter Anstalt wird. Er hat nun endgültig seine Berufung gefunden,
der er sich vollständig widmet. Zunächst reformiert er in der alten Anstalt,
was zu reformieren ist. Und setzt alles daran, um an Geld für einen Neubau zu
kommen: Da hat er mannigfache Bürgerinitiativen
gegründet, Geld gesammelt, und Vorträge gehalten, Zeitungsartikel geschrieben.
Schließlich Freiherr von Wiesenhütten – der machte eine große Spende – aber
an zwei Bedingungen war diese Spende
geknüpft: - dass
innerhalb eines Jahres mit dem Bau begonnen wird, - dass alle Patienten unabhängig von ihrer
Glaubensrichtung aufgenommen werden; da war die Stadt dann herausgefordert… O. Pichler: Die
Irrenanstalt Frankfurt; Quelle: Architekturmuseum UB TU. Berlin 15 16 1859 beginnt der Bau, der 5 Jahre später
beendet wird. Großzügig sind die Zimmer, lang die Flure: die „Tobsüchtigen“, „Epileptiker“,
„Unruhigen“, „Blödsinnigen“ und „Ruhigen“ sind in eigenen Flügeln des
Gebäudes untergebracht. Jede Abteilung hat einen eigenen Garten, in dem die
Kranken spazieren gehen, aber auch das „unschätzbare
Heilmittel des Acker- und Gartenbaus“ erleben sollten. Hoffmann führt
hier, früher als in anderen Irrenhäusern, eine milde Form der Arbeitstherapie
ein. Und ganz nebenbei wird so die Anstalt auch noch mit frischen
Lebensmitteln versorgt. Er schafft die Zwangsbehandlungen weitgehend
ab, in Gärten und Feldern finden die Kranken Entspannung und Arbeit,
Turnstunden schaffen Abwechslung und stärken zugleich den Gemeinsinn. Ein
wenig experimentiert Hoffmann auch mit neuen, medikamentösen
Behandlungs-methoden. Neue Therapiekonzepte wie Dauerbäder oder Bettbehandlungen,
die noch zu Hoffmanns Zeit aufkommen, führt erst sein Nachfolger Emil Sioli ein. Heinrich Hoffmann hat nicht
die Psychiatrie revolutioniert,
wohl aber die Frankfurter. Sein Verdienst ist es, den Geisteskranken
Frankfurts eine Umgebung geschaffen zu haben, in der sie leben und auch
gesunden konnten. In einer Atmosphäre, die geprägt war von Aufmerksamkeit,
Zuneigung und Empathie. So soll ein Arzt wirken, schreibt Hoffmann im hohen
Alter dann in seinen Lebenserinnerungen: „Der Eintritt des Arztes
in eine Krankenabteilung muss etwas von einem Sonnaufgang an sich tragen; er muss Licht und Wärme verbreiten; und so sollte es in
jeder Krankenstube sein.“ Nach Gründung der Frankfurter Universität im
Jahre 1914 wurde die „Anstalt für Irre und Epileptische“ auf dem Affensteiner Feld in „Städtische und Universitätsklinik
für Gemüts- und Nervenkranke“ umbenannt. In den Jahren 1927 – 1930 entstand
wiederum ein Neubau in Niederrad, das heutige „Zentrum für Psychiatrie“ in
der Heinrich-Hoffmann-Straße. Die Anstalt auf dem Affensteiner
Feld wurde 1930 abgerissen. Textzusammenstellung aus: Eva Maria
Siefert: hr2-kultur, Heinrich
Hoffmann Struwwelpeter und Psychiatrie-Reformer; Helmut Siefert: "Die
Menschheit der Gegenwart ist eine vorzugsweise nervöse geworden": Heinrich Hoffmann und das
Frankfurter "Irrenschloss", in: "Forschung
Frankfurt" 1/2009: S. 71-75 Alexander Košenina: Heinrich Hoffmann: Der
Struwwelpeter – „Kleine Teufel
unter dem Zeichenstift“ FAZ.net vom
06.06.2009 Dagmar Braum: "Vom Tollhaus zum
Kastenhospital : ein Beitrag zur Geschichte der Psychiatrie in Frankfurt am
Main" in: Frankfurter Beiträge zur Geschichte, Theorie und Ethik
der Medizin ; 5, 1986 |
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